Vogelfütterung
im Winter.
Der jüngst verstorbene Dr. Karl Ruß sagt: "Reichliche
und verständnisvolle Beschickung des Vogelfutterplatzes ist eine
gute That, welchem dem Menschen nicht bloß zur Ehre gereicht und
ihm Freude, sondern zugleich großen Vorteil bringt."
Oft aber wird die Vogelfütterung ungeschickt betrieben, und den gefiederten
Gästen durch sie Krankheit und Tod gebracht. Was soll man also nicht
füttern?
Nicht füttern sollen wir sauer gewordene oder in Gärung übergegangene
Futterstoffe, Kuchen und Konditorei-Gebäck, überhaupt nicht
Stoffe, von welchen uns der gesunde Menschenverstand sagt, daß sie
einem Vogelmagen nicht zuträglich sein können.
Wie und was sollen wir füttern?
Wenn Schnee liegt, Rauhfrost die Bäume überzieht, so leiden
am meisten Not Meisen, Kleiber, Baumläufer. Sie versorgen wir, indem
wir Talgstücke und aufgeschlagene Knochen, je zu zweien an einen
Faden gebunden, auf die Bäume werfen. Dort oben sind unsere im Hunger
sehr unvorsichtigen Gäste am gesichersten, auch am wenigsten von
den Spatzen bedrängt.
Zur Fütterung mit Körnern: Hanf und Sonnenblumensamen besonders
zu empfehlen, eignet sich das sehr hübsche und billige Automatenfutterhäuschen,
das der Hofgärtner C. F. Heinemann-Erfurt liefert. Es wird mit drei
Nägeln an einer Mauer oder einem Baumstamme befestigt und bietet
Meisen und allen zarten Vögelchen ebenfalls sicheren Schutz, sogar
wind- und wettersicheres Nachtquartier!
Zurückgebliebene Rotkehlchen, Drosseln, Amseln, die ganze Finken-,
Ammern- und Zeisig-Schar, wiederum alle Meisen, Zaunkönige, Kleiber,
die Buntspechte und den Grünspecht, Gimpel, Haubenlerchen füttern
wir sodann am Vogelfutterplatz. Dieser liege vor Katzen, Wiesel, Sperber,
Elstern, Krähen, Häher möglichst geschützt, biete
aber außerdem durch einige ihn umgebende hohe Haufen von losem Strauchwerk
Zuflucht vor plötzlichem Ueberfall. Es ist dies wichtig, denn auch
das Raubgesindel macht der Hunger unheimlich verwegen.
Den Futterplatz selbst kehren wir mehrmals am Tage vom Schnee rein und
bieten unseren gefiederten Gästen auf ihm allerlei gewiegte Fleischreste,
mit kochendem Wasser angemachtes Mais-(Welschkorn-)mehl, allerlei Sämereien:
Hanf, Weizen, Haber, Gerste, Sommerrübsamen, Haberkern, - kurz, was
immer wir haben. Dann auf dem Reibeisen geriebenes hartes Brot, doch keine
Brotkrumen, die gefrieren zu Stein. Getötete Küchenschaben sind
große Leckerbissen, selbstredend darf man aber keine vergifteten
vorwerfen! Stückchen Apfel und Birne sind stets willkommen. Man füttere
lieber oft am Tage, am besten früh, mittags und abends, und nicht
mehr, als aufgefressen wird. Sonst füttert man Mäuse, und viel
Futter verdirbt durch Kälte und Nässe und wird dann schädlich.
Ebereschenbeeren und Wacholderbeeren finden auch viele Liebhaber.
Körnerfutter wird vielfach von den Tierschutzvereinen und den Vereinen
zum Schutze der Vogelwelt gratis für Futterplätze abgegeben.
Näheres bringen dann die Tagesblätter.
Den größten Verdruß pflegen am Futterplatze die Spatzen
zu bereiten, wenn diese groben, derben Nichtsnutze alles für sich
beanspruchen und alle anderen Vögel, ganz besonders die zartesten,
brutal wegbeißen und verjagen. Hiegegen hilft nur ein genaues Beaufsichtigen
des Futterplatzes aus irgendeiner Deckung! Sind die Spatzen Alleinherren,
kein Fink, keine Ammer oder Lerche unter ihnen, so sende man einen Schrotschuß
unter sie. Nach wenigen Wiederholungen dieser blutigen Lektion werden
sie nur zaghaft und sehr vorsichtig dem Platze nahen, dessen ganzen Zweck
sie andernfalls oft genug vereiteln. Tauben kann man mit einem Sandwurf
leicht verjagen.
Bei starker Kälte ist Wasser unseren Gästen ebenso nötig
wie Futter. Wir geben frisches Wasser, um das wir heiße Ziegelsteine
legen, und einen heißen Ziegel legen wir in das Wasser. So werden
wir es stundenlang offen erhalten, friert es zu, dann geben wir wieder
frisches Wasser und erhitzen unsere Steine wiederum; der Anblick der gierig
trinkenden Vögelchen, das große Labsal, welches wir ihnen bieten,
entschädigt reich für die Mühe.
Dem sinnigen Menschen ist der Vogelfutterplatz eine Quelle hoher und reinster
Freude. Freilich fehlt auch an ihm der häßliche Kampf um's
Dasein nicht, doch die lieblichen Bilder überwiegen und verklärend
ruht auf ihm der edelste Geist, der Geist des werkthätigen Mitleids.
Quelle: Bund für
Vogelschutz: Kalender für 1900, Seiten 5-7.